Neue Forschungen besagen: Wetterfühligkeit ist keine Einbildung

Es gibt einen Zusammenhang zwischen Krankheitsbildern und Grosswetterlagen

Stuttgart, im Oktober 2003. Ein Kribbeln in den Fingern, plötzliche Schmerzen im Knie, ein Stechen im Kopf: Viele Menschen behaupten, sie würden einen bevorstehenden Wetterwechsel am eigenen Leib spüren. Aber ist das überhaupt möglich? Neue Forschungen in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) haben ergeben: Es gibt Wetterfühligkeit wirklich. „Von eingebildeten Kranken kann in der Mehrzahl der Fälle keine Rede sein“, sagt der Bio-Meteorologe Professor Peter Höppe von der Universität München im Magazin Reader’s Digest (November-Ausgabe).

Höppe hat mit seinen Kollegen und den DWD-Experten in einer aktuellen Studie das Phänomen genauer untersucht. 50 wetterfühlige Patienten mussten dazu über einen langen Zeitraum akribisch Protokoll über ihre Befindlichkeit führen. Dann wurden bestimmte Wetterlagen mit häufig auftretenden Beschwerden in Beziehung gesetzt – und siehe da: Bei zwei Dritteln der Testpersonen stimmten deren Angaben mit den Informationen des Wetterdienstes überein.

Schon vor zwei Jahren hatte Höppe bei einer repräsentativen Befragung von mehr als 1000 Personen einen solchen Trend festgestellt. Damals gaben 54 Prozent an, das Wetter habe einen Einfluss auf ihr Befinden. Demnach fühlt sich jeder Fünfte von Wetterkapriolen beeinflusst. Insgesamt 22 Krankheitsbilder fanden die Forscher heraus, wobei Kopfschmerzen am häufigsten genannt wurden, gefolgt von Gefäss- und Gelenkproblemen über Atemwegsbeschwerden bis hin zu juckenden Narben.

Alois Machalek, Mitbegründer des ersten deutschen Wetterfühligkeits-Therapiezentrums in Bad Füssing sowie eines weiteren Zentrums im österreichischen Bad Gastein, fühlt sich durch die Forschungsergebnisse bestätigt. Oftmals würden wetterfühlige Menschen als Simulanten abgestempelt und von einem Facharzt zum nächsten geschickt, ohne dass ihnen geholfen werde. „Ein Problem der Betroffenen ist, dass sie nicht unter einem klar definierten Krankheitsbild leiden.“ Für Machalek steht aber fest, dass Wetterfühligkeit keine Krankheit ist, sondern sie vielmehr Krankheitssymptome auslöst oder bereits vorhandene Beschwerden verstärkt.

So ist inzwischen erwiesen, dass Menschen mit zu hohem oder zu niedrigem Blutdruck, aber auch Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten vor allem unter Sturmtiefs und Nieselregen leiden. Wer schlecht schläft oder Probleme mit der Konzentrationsfähigkeit hat, derreagiert empfindlich auf Warmfronten. Aber auch bei Menschen mit bereits verheilten Verletzungen oder mit amputierten Gliedmassen rebelliert der Körper, wenn ein Kälte- oder Feuchtigkeitsschub kommt.

Wer also sensibler als ein Wetterfrosch reagiert und schon Tage oder Stunden vor dem Wetterwechsel den aufziehenden Föhn in Form einer Migräne spürt, dem raten die Meteorologen und Physiker vor allem eines: regelmässig die beheizten Räume verlassen und raus in die Natur gehen. Machalek: „Menschen, die viel an der frischen Luft sind, scheinen Wetterumschwünge viel besser wegzustecken als solche, die sich permanent in künstlichem Klima aufhalten.“ Im Klartext: eine kalte Dusche, ein Spaziergang im Herbststurm, eine Schneeballschlacht an einem sonnigen Wintertag – alles das kann helfen.

Bio-Meteorologe Höppe will dem Phänomen weiter nachforschen. Demnächst wird er Wetterfühlige in einer Klimakammer mit künstlich erzeugten Luftdruckschwankungen konfrontieren. Das Ziel ist klar: Wenn sich auch dort belegen lässt, dass es einen Zusammenhang zwischen Luftdruckschwankungen und Krankheitssymptomen gibt, wäre ein weiterer Beweis gefunden, warum es Menschen gibt, die zum Beispiel einen aufziehenden Regenschauer schon Stunden zuvor spüren können.

[@uelle Deutscher Wetterdienst]
Wetterfühligkeit

„Das Wetter macht mich heute wieder richtig krank“: Föhn, Hitzewellen, drückende Luft, das plötzliche Einbrechen von Sommergewittern sorgen bei etwa 30 Prozent der mitteleuropäischen Bevölkerung für starkes Unwohlsein. Bei aufziehendem Gewitter steigt laut Verkehrsstatistiken die Unfallhäufigkeit um über sieben Prozent – bei einem Wechsel von kühler zu feuchtwarmer Luft sogar um neun Prozent. Gutachter bei Gericht stellen fest, dass Föhnwetterlage die Gewaltbereitschaft erhöht. Im Zweifel spricht das für den Angeklagten.

Atmosphärische Umweltreize

Was hat es nun auf sich mit der berühmten Wetterfühligkeit? Sicher ist, dass es sich nicht um Einbildung handelt, sondern um eine Reaktion des Körpers auf atmosphärische Umweltreize. Auch wenn wir uns weitgehend geschützt in Wohnungen oder Büros aufhalten, unterliegen wir dem Einfluss von wechselnder Luftfeuchtigkeit, Temperatur, UV-Strahlung, verändertem Luftdruck und Sferics. Der Mensch hat sich zusätzlich Belastungen geschaffen, mit denen sein Körper fertig werden muss: Steigende Ozonwerte, Abgase, Elektrosmog und künstliche Strahlungen. Wetterfühligkeit ist eine typische Zivilisationserscheinung.
Die dauernde Abschirmung vor Wettereinflüssen in klimatisierten Räumen führt dazu, dass wir besonders sensibel reagieren. Geringste Klimareize verursachen eine Überforderung des vegetativen Nervensystems. Wir beginnen die eigentlich natürlichen Reaktionen des Körpers , die wir sonst kaum wahrnehmen, unmittelbar zu spüren. Das Nervensystem meldet die Anstrengungen der Umstellung an das Gehirn weiter. Auf diese Meldung reagieren wir dann mit Kopfschmerzen, Müdigkeit, mangelnder Konzentrationsfähigkeit und Schlafstörungen. Wir sind schlicht nicht genügend abgehärtet und somit überfordert.

Körperliche Reaktionen

Wie funktioniert die eigentliche, natürliche Wetterreaktion des Körpers? Wir können Temperaturschwankungen von 20 Grad und mehr aushalten, ohne zu überhitzen oder zu erfrieren. Schnell passt sich der Körper an. Unser vegetatives Nervensystem nimmt Wetterreize, bevorstehende grossflächige Klimaschwankungen oder plötzliche Luftdruckveränderungen wie eine Antenne auf. Selbsttätig, ohne Einfluss unseres Bewusstseins, reguliert nun unser Organismus über Blutkreislauf und Stoffwechsel den notwendigen Temperaturausgleich, um die Kerntemperatur von etwa 37 Grad zu halten. Erst wenn wir schwitzen, frieren oder zittern, nehmen wir etwas von dieser Arbeit bewusst wahr.

Wetterempfindlichkeit

Bei manchen Menschen kann sich eine besondere Wetterempfindlichkeit bemerkbar machen: Im Gegensatz zu der lästigen Wetterfühligkeit, die nicht auf eindeutige organische Schädigungen zurückzuführen ist, können sich bestehende Krankheiten so verstärken, dass sie zu einem quälendem Leiden werden, nur weil ein Gewitter oder eine Luftdruckschwankung bevorsteht. Insbesondere ältere Menschen, Herz- und Kreislaufkranke, Asthmatiker und chronische Bronchitiker reagieren empfindlich auf Klimaveränderungen. Zudem leiden Frauen wesentlich häufiger unter den verschiedenen Beschwerden.

Es scheint nicht immer feststellbar zu sein, was zuerst da war: Die Klimareize, die unter Umständen zu einer bedrohlichen Situation führen oder die körperliche Vorbelastung, die Herz und Kreislauf, Knochen, Gelenke und Atmungsorgane erst so richtig empfänglich für Wetterumschwünge macht. Man geht aber davon aus, dass der Mensch nicht am Wetter erkrankt, sondern die Fähigkeit verliert, durch eigentlich unmerkliche Körperreaktionen mit den natürlichen Klimaveränderungen fertig zu werden.

Psychische Reaktionen

Wetterfühlige Menschen klagen über schlechte Laune, Antriebslosigkeit oder Reizbarkeit, obwohl sie sich körperlich gesund fühlen. Je schwieriger die aktuelle psycho-physische Situation eines Menschen erscheint, desto stärker lässt er sich durch bestimmte Witterungseinflüsse irritieren.
Bei biometeorologischen Untersuchungen fand man heraus, dass labile Menschen mit pessimistischer Grundeinstellung, geringer Frustrationstoleranz und Kontaktschwierigkeiten weitaus heftiger auf das Wetter reagieren als ihre selbstbewussten, ausgeglichenen Mitmenschen. Es kann zu psychischen Kurzschlussreaktionen mit dramatischen Folgen kommen. Amokläufe und Selbstmordversuche häufen sich in kritischen meteorologischen Wechselzeiten.

Was können wir tun?

Auf den ersten Blick scheint es, als hätten wir keinen Einfluss auf unser Befinden, das Wetter ist schliesslich schuld, wenn der Kopf vor Schmerz zerspringt, oder wir glauben, den Nachbarn anpöbeln zu müssen. Es gibt jedoch einfache Mittel, um uns zu desensibilisieren. Wetterfühlige können einiges tun, um ihr Wohlbefinden zu erhöhen.
Als Allererstes: Sie können sich über Tageszeitungen, Teletext, Fernsehen oder das Internet zum so genannten Biowetter informieren. Hier werden sowohl regionale als auch weltweite Nachrichten zur aktuellen Klimalage veröffentlicht. Meist wird sehr genau auf die spezifischen Empfindlichkeiten eingegangen und es werden Empfehlungen für das angemessene Verhalten gegeben.
Wer sich regelmässig Wetterreizen aussetzt, sprich‘ an die frische Luft geht, wird unempfindlicher gegen meteorologische Reize, härtet sich ab. Regelmässige körperliche Betätigung, flottes Spazierengehen oder kontinuierliches Schwimmen steigert die Anpassungsfähigkeit von Kreislauf und Stoffwechsel. Besonders Menschen, die an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule leiden und jeden Wetterumschwung in den Knochen spüren, empfinden regelmässiges Training als besonders wohltuend. Wechselduschen, warm und kalt, Sauna, Massage, Gymnastik, Moor-, Thermalbäder und Kneippsche Güsse können die Reizschwelle gegen Witterungseinflüsse heben, denn darum geht es.

Vorsorge können Sie auch treffen, indem Sie sich Ihren Schwachstellen zuwenden, indem Sie die tieferen Ursachen für Schmerzen und Beschwerden finden und beseitigen. Regelmässige Arztbesuche helfen, dass keine unerkannt gebliebenen Entzündungsherde in Ihrem Körper vorhanden sind, beispielsweise in den Zähnen oder Nasennebenhöhlen. Verschleppte Entzündungen schwächen das Immunsystem und die allgemeine Regenerationsfähigkeit.

Eine ganze Reihe von Symptomen – Konzentrationsstörung, Vergesslichkeit, Müdigkeit, Nervosität, Kopfschmerzen und Stimmungsschwankungen lassen sich durch den Verzicht auf Alkohol, Nikotin und Koffein vermeiden. Nichts Neues – aber immer wieder bedenkenswert. Allein der Verzicht auf eines dieser Genussmittel kann Wunder wirken.
Es ist nicht nachgewiesen, dass sich mit gesunder Vollwertnahrung die Wetterfühligkeit verringern lässt. Fest steht jedoch, dass sich unter den Wetterfühligen beiderlei Geschlechts eine auffallend höhere Zahl an Übergewichtigen befindet als unter den Wetterstabilen.

Psychische Verstimmungen sind Symptome, die durch Überlastung innerhalb der Familie oder am Arbeitsplatz hervorgerufen und durch Klimareize verstärkt werden können. Es kann helfen, bekannte Entspannungsmethoden wie autogenes Training, TaiChi und Yoga einzuüben oder die eigene Lebenssituation im Rahmen des Möglichen zu ändern. Therapeuten oder Beratungsstellen bieten konkrete Unterstützung an. Selbst kleine Veränderungen in eingefahrenen Situationen können zu grosser Erleichterung führen. Allgemeine Wetterfühligkeit kann unter Umständen ein Hinweis auf schwelende Krankheitsherde oder ungelöste seelische Spannungen sein!
Und zu guter Letzt empfiehlt es sich, unnötige Stresssituationen zu vermeiden. Halsen Sie sich nicht mehr auf, als Sie schaffen können. Selbst Urlaubspläne können zu ungeahntem Stress führen. Lassen Sie es sich, wann immer es geht, einfach gut gehen!

Krankheiten

Die biologische Wirksamkeit des Wetters nennt man Wetterbiotropie. Es handelt sich um eine wetterbedingte Empfindlichkeit des Organismus, wobei dem in der Regel eine vorhandene körperliche Schwächung vorausgeht.

Akute Bronchitis:

Hohe Luftfeuchtigkeit und Kälte reizen die Schleimhäute. Besonders an nebeligen Tagen setzen sich die Bronchien unangenehm zu – die Atmung wird behindert, die Lungen fühlen sich regelrecht abgeschnürt an.

Asthma:

Sowohl starke Hitze wie auch Abkühlung bereiten den Betroffenen oftmals grosse Probleme. Die Atmung beginnt zu „pfeifen“, es kann zu starken Anfällen mit akuter Atemnot kommen. Vermehrte Asthmaanfälle wurden häufig 1 bis 3 Tage nach einer Kaltfront, gefolgt von Hochdruck (Wärme) beobachtet.

Rheuma:

Hohe Luftfeuchtigkeit in Folge starker Regenfälle, fallender Luftdruck sowie Temperaturabfall führen zu einer Verstärkung von Schmerzen. Sobald ein Gewitter naht, steigt die elektrische Ladung der Atmosphäre an, weil die Luftteilchen der warmen und kalten Schichten aneinanderreiben und sich dabei aufladen (Spherics). Indirekt steigern diese Ladungen den Ausstoss des Nervenbotenstoffes Serotonin, der unter anderem die Schmerzempfindlichkeit erhöhen kann.

Narben und Amputationen:

Auch hier können Klimareize zu Schmerzen, dem so genannten Phantomschmerz führen. Plötzlich meldet sich ein Fuss, der gar nicht mehr vorhanden ist. Abhilfe kann meist über mentale Methoden wie autogenes Training bewirkt werden.

Kreislaufstörungen:

Die Adern und Venen verengen sich bei einem Kälteeinbruch. Als Folge steigt der Blutdruck. Menschen mit ohnehin hohem Blutdruck sind gefährdet. Infarkte, Thrombosen, Schlaganfälle werden wahrscheinlicher. Wird es kühler, leben dagegen die Geister des Niederdrucktyps wieder auf. Bei starker Erwärmung und Schwüle erweitern sich die Adern und Venen. Wer an niedrigem Blutdruck leidet, kann mit Kopfschmerzen und Schwindel rechnen, denn das Herz muss in der gleichen Zeit mehr Blut durch den Körper pumpen als vorher. Menschen mit hohem Blutdruck fühlen sich dagegen oft besser als sonst.

Herzschwäche:

Bei Kälte ziehen sich die Blutgefässe zusammen. Der Körper ist möglicherweise so angegriffen, dass er nicht mehr in der Lage ist, einen Ausgleich zu seiner Umgebung zu schaffen. Für einen Patienten mit Herzinsuffizienz kann dies zu einem Schock mit akuter Atemnot führen. Das Missverhältnis von Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf führt dazu, dass das Herz sehr viel angestrengter arbeiten muss. In Verbindung mit seelischem Stress und körperlicher Belastung kann sich ein herzkranker Mensch plötzlich in einer lebensgefährlichen Situationen befinden.

All diese Erkrankungen verlangen unbedingt die Behandlung durch einen Arzt, selbstverständlich auch jede im Zusammenhang mit der Krankheit stehende Wetterempfindlichkeit.

Spherics

„Atmospherics“ (Spherics) sind kurze elektromagnetische Impulse. Luftmassen reiben sich aneinander bis zur elektrischen Entladung. Vor Schlechtwetter- oder Schönwetterfronten, wenn kalte und warme Luft aufeinander treffen und vor Gewittern häufen sich die Sferics. Mit Lichtgeschwindigkeit eilen sie dem eigentlichen Wettergeschehen voraus. Unser Körper ist Leiter für elektromagnetische Impulse und so führen Spherics bei empfindlichen Personen zu den typischen Symptomen. Eine Abschirmung vor ihnen ist nicht möglich, sie dringen ohne Probleme durch jede Hauswand. Kommt es dann tatsächlich zu Regen, Sonnenschein, Blitz oder Donner, sind die Sferics schon lange verschwunden – und damit auch die Beschwerden. Das würde erklären, warum wetterfühlige Personen einen Temperaturwechsel bereits Tage vorher fühlen können und schon wieder beschwerdefrei sind, wenn die Wetterlage schliesslich eintrifft.

[@uelle Discovery-channel]
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