Lungenhochdruck

Unser Kreislaufsystem wird in einen grossen und kleinen Kreislauf unterteilt. Im grossen Kreislauf fliesst das Sauerstoffreiche, so genannte arterielle Blut (rot gezeichnet) vom linken Herzen durch den gesamten Körper und versorgt die Organe mit Sauerstoff. Von den Organen gelangt das nun sauerstoffarme, venöse Blut (blau gezeichnet) zum rechten Herzen, das das Blut in den kleinen Lungenkreislauf pumpt. Dort wird die Luft, die wir einatmen, über den so genannten Gasaustausch in den Lungenbläschen in die Lungengefässe aufgenommen. Dieses nun wieder sauerstoffreiche Blut fliesst zum linken Herzen und damit zurück in den grossen Kreislauf.

Die Druckverhältnisse im Lungenkreislauf sind beim gesunden Menschen wesentlich niedriger als im grossen Körperkreislauf: der Mitteldruck in der Lungenarterie ( = Pulmonalarterie) liegt normalerweise bei 15 mmHg. Wenn der Druck in der Lungenarterie bei Belastung auf über 30 mmHg ansteigt, spricht man von einer beginnenden oder auch latenten pulmonalen Hypertonie.

Lungenkreislauf
Bei der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH), ist der Blutdruck in der Lungenarterie krankhaft erhöht und liegt in Ruhe über 25 mmHg und/oder bei Belastung über 30 mmHg. (Bild: © Actelion)

Die pulmonale Hypertonie ist als Krankheitsbild seit mehr als 100 Jahren bekannt, geriet jedoch lange Zeit in Vergessenheit, da weder diagnostische noch therapeutische Möglichkeiten vorhanden waren, und die Erkrankung in der Regel im Rahmen einer Obduktion diagnostiziert werden musste.
Nach einer relativ ruhigen Phase trat die pulmonale Hypertonie in den späten sechziger Jahren plötzlich wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen und des wissenschaftlichen Interesses. Der Grund dafür war ein plötzlicher Anstieg der Erkrankungshäufigkeit bedingt durch die Einnahme von Appetitzüglern.
Mit der Entwicklung der Ultraschalldiagnostik und der Einführung der Doppler-Echokardiographie hatte man schliesslich auch ein nicht-invasives diagnostisches Instrument in der Hand. Mit Hilfe dieser Methode konnte man auch sehr genau den Druck im kleinen Kreislauf bestimmen.

Die pulmonale Hypertonie wurde zuerst in eine primäre und in eine sekundäre Form eingeteilt. An der WHO-Konferenz 1998 in Evian wurde die Pulmonale Hypertonie neu klassifiziert und am Weltkongress zur Pulmonal-Arteriellen Hypertension, Juni 2003 in Venegig erneut angepasst. (s.unten) Während die Pulmonal-Arterielle Hypertonie (PAH) oder neu auch idiopathisch-Pulmonal-Arterielle Hypertonie (IPAH) sehr selten ist (1 – 2/Mio Einwohner), kommen die anderen Formen wesentlich häufiger vor. Über die genaue Inzidenz und Prävalenz existieren allerdings keine verlässlichen Zahlen. Als Ursachen für die sekundäre pulmonale Hypertonie kommen in Europa im wesentlichen Herzerkrankungen, Erkrankungen der Lunge und Erkrankungen der Lungengefässe in Frage.

Die Symptome einer Pulmonal-Arteriellen Hypertonie sind sehr unspezifisch. Am häufigsten findet man Atemnot, Husten, blaue Lippen, Beinödeme, Brustschmerzen und Synkopen. Oft werden die ersten Anzeichen der Krankheit, Luftnot bei Belastung und schnelle Ermüdung vom Betroffenen selbst nicht wahrgenommen. Ebenso wird aufgrund dieser unspezifischen Symptome und der häufigen Überlagerung mit anderen Erkrankungen die pulmonale Hypertonie meist sehr spät diagnostiziert. Vielfach ist die ärztliche Untersuchung aber nicht richtungsweisend und es werden Verlegenheitsdiagnosen wie mangelnder Trainingszustand oder psychovegetative Erschöpfung gestellt.
Die Drucksteigerung im kleinen Kreislauf kann lange kompensiert werden. Erst spät kommt es zu einer konsekutiven Druck- und Volumenbelastung des rechten Herzens mit den daraus resultierenden Folgen.
Nicht nur in diagnostischer, sondern auch in therapeutischer Hinsicht hat sich viel getan. So muss man heute vor einer primären oder schweren sekundären pulmonalen Hypertonie nicht mehr kapitulieren: Durch die inhalative Gabe von vernebeltem Prostazyklin bzw. Ilomedin oder dem oralen Endothelin-Rezeptor-Antagonisten Bosentan konnten grosse Fortschritte erzielt und sowohl die Lebensqualität als auch die Lebenserwartung dieser Patienten deutlich gesteigert werden. Es werden auch schon Kombinationstherapien mit zusätzlichen Medikamenten (z.B: Sildenafil–Viagra) gemacht.

Die Heterogenität des Krankheitsbildes erfordert ein integratives Denken und eine enge Kooperation zwischen Pulmologen, Kardiologen und Angiologen.

Die Ursachen der Krankheit sind noch nicht bekannt. Sie kann auch erblich auftreten und mehrere Generationen einer Familie betreffen. Deshalb muss den direkten Verwandten der Patienten besondere Aufmerksamkeit gelten.
Speziell währe da wohl das zur Zeit aktuelle europäische PH-Projekt zu erwähnen:
Im Rahmen dieses europäischen Projektes werden die Familienangehörigen ersten Grades von PPH-Patienten per Ultraschall und unter Belastung untersucht, mit dem Ziel, bei erblicher Vorbelastung eventuell bereits frühzeitig Symptome der Erkrankung zu entdecken. Dabei soll vor allem auch die Eignung dieser Ultraschalluntersuchung für eine solche Früherkennung überprüft werden. Ausserdem werden genetische Untersuchungen durchgeführt, um herauszufinden, ob es einen Zusammenhang zwischen erblicher Vorbelastung und eventuellen Symptomen gibt, und um eventuelle weitere vererbbare Faktoren zu ermitteln, die Pulmonal-Arterielle Hypertonie hervorrufen können.

Schweregrad der pulmonal-arteriellen Hypertension

Der klinische Schweregrad der pulmonal-arteriellen Hypertension entspricht – in gering modifiziertem Umfang – der Einteilung der New York Heart Association (NYHA). Es werden vier Schweregrade unterschieden:

PH Schweregrad 1: Keine Einschränkung der körperlichen Aktivität, keine Symptome der Erkrankung wie zum Beispiel Müdigkeit, Schwäche, Dyspnoe bei Belastung oder thorakales Druck- bzw. Schmerzempfinden.

PH Schweregrad 2: Leichte Einschränkung der körperlichen Aktivität. Bereits die normale tägliche Tätigkeit führt zu Symptomen der Erkrankung. In Ruhe besteht völliges Wohlbefinden.

PH Schweregrad 3: Deutliche Einschränkung der körperlichen Aktivität. Bereits sehr leichte Tätigkeiten, die unterhalb des normalen täglichen Tätigkeitsniveaus liegen, führen zu Symptomen der Erkrankung. In Ruhe besteht weiterhin Wohlbefinden.
In diesem Stadium ist die gemischt-venöse Sauerstoffsättigung des pulmonalarteriellen Blutes bereits unter 60% gesunken. Es besteht dringender therapeutischer Handlungsbedarf.

PH Schweregrad 4: Manifeste Insuffizienz des rechten Herzens mit Unfähigkeit, eine körperliche Aktivität durchzuführen.
Bereits in Ruhe sind Symptome der Erkrankung vorhanden. In diesem Stadium ist die gemischt-venöse Sauerstoffsättigung des pulmonalarteriellen Blutes bereits unter 50% gesunken.
Es besteht Lebensgefahr durch Rechtsherzversagen innerhalbvon Wochen bis Monaten.

In der Praxis ist es mitunter nicht einfach, NYHA-II-Patienten mit Verdacht auf Pulmonaler Hypertonie zu identifizieren. Ein guter Anhaltspunkt ist der 6-Minuten-Gehtest, bei dem die Strecke gemessen wird, die in 6 Minuten zurückgelegt werden kann; wiederholte Tests müssen unter den gleichen Bedingungen durchgeführt werden. Als Faustregel gilt:
NYHA I mehr als 500 Meter
NYHA II 450 bis 500 Meter
NYHA III 150 bis 450 Meter
NYHA IV unter 150 Meter

Der 6-Minuten-Gehtest ist in langen Klinikkorridoren relativ einfach zu standardisieren, während dies in der Praxis eines niedergelassenen Arztes häufig recht schwierig sein dürfte. Ein gute Alternative ist das Treppensteigen als Testmethode. Bei Probanden, die zwei Stockwerke (entspricht ca. 40 Stufen) steigen können, ohne dabei stehenbleiben zu müssen, ist ein Verdacht auf NYHA II und Pulmonale Hypertonie unbegründet. Bei weniger als zwei Stockwerken hingegen sollte man aufmerksam sein.

Zeigt der Patient gleichzeitig die klassische Trias:

  • Dyspnoe und rasche Ermüdbarkeit
  • normale Lungenfunktion (kleiner Lungenfunktionstest)
  • normales Thorax-Röntgenbild

sollte man die Überweisung zur Echokardiografie veranlassen.

Zumindest aber sollte man den Patienten nach spätestens sechs Monaten erneut zur Kontrolle einbestellen.

Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen auf der Basis des Schweregrades

1. Alle Patienten mit pulmonalarterieller Hypertension werden beim Fehlen von Kontraindikationen antikoaguliert.

2. Bei Patienten, die bei der so genannten Akut-Testung (inhalatives NO; Adenosin i.v., Prostazyklin) mittels Rechtsherzkatheterisierung eine Senkung des mittleren pulmonalarteriellen Drucks von mindestens 10mmHg bei fehlendem systemischem Blutdruckabfall oder zumindest eine Senkung des Lungengefässwiderstands um 20% gegenüber dem Ausgangswert in Ruhe zeigen, kann – unter Berücksichtigung der Kontraindikationen – der Versuch einer Therapie mit oral applizierten Kalziumkanal-Blockern unternommen werden. Der Effekt der Therapie sollte durch vierteljährliche Herzultraschall-Kontrollen überprüft werden. Die Akuttestung mittels der kurz wirksamen Vasodilatatoren NO oder Adenosin vermeidet dabei die Probleme der ausgeprägten und potenziell gefährlichen Senkung des systemischen Blutdrucks.

3. Eine manifeste pulmonal-arterielle Hypertension sollte mit Vasodilatantien behandelt werden. Die Zulassung zur Therapie der pulmonalen Hypertension in der Schweiz hat derzeit Tracleer® (Bosentan).

Einteilung: Cor pulmonale
    • Präkapillarer pulmonaler Hochdruck mit erhöhtem Arteriolenwiderstand und normalem Kapillardruck
Rechtsherzinsuffizienz (definitionsgemäss nicht Cor pulmonale)
    • Postkapillarer pulmonaler Hochdruck mit erhöhtem Kapillardruck (und Arteriolenwiderstand) bei erhöhtem linksseitigem Vorhofdruck
Chronisches Cor pulmonale
    • anhaltende oder fortschreitende Steigerung des Pulmonalarteriendrucks auf Basis einer Lungenerkrankung mit unterschiedlicher Ausbildung einer Rechtsherzhypertrophie
Latentes Cor pulmonale
    • pulmonale Hypertonie nur unter Belastung
Manifestes Cor pulmonale
    • pulmonale Hypertonie mit Rechtsherzhypertrophie ohne Stauungszeichen
Dekompensiertes Cor pulmonale
    • pulmonale Hypertonie mit Rechtsherzinsuffizienz in Ruhe
Akutes Cor pulmonale
  • akute pulmonale Hypertonie mit Rechtsherzvergrösserung durch plötzliche Einengung der arteriopulmonalen Strombahn aufgrund einer Lungenembolie
Prinzipielle medikamentöse Therapieoptionen bei PHA. Kalziumkanal-Blocker
  • Diltiazem, oral
  • Nifedipin, oral

    B. Prostazyklin und Analoga

  • Epoprostenol, intravenös
  • Iloprost, inhalativ, intravenös
  • Uniprost, subkutan
  • Beraprost, oral

    C. Endothelin-1A- und -1A/B-Rezeptorantagonisten

  • Typ A-B Endothelin-Rezeptor-Antagonist Bosentan Tracleer, oral
  • Typ A- Endothelin-Rezeptor-Antagonist Sitaxentan, oral
  • Typ A- Endothelin-Rezeptor-Antagonist Ambrisentan, oral

    D. Phosphodiesterase-Inhibitoren (PDE-5-Inhibitoren)

  • Revatio, Sildenafil, oral (Viagra)
  • PDE 3/4 Inhibitors Tolafentrin

    E. Neurohumorale Transmitter

  • Vasoaktives intestinales Peptid (VIP), inhalativ

    F. Andere vasodilatierend wirksame Pharmaka

  • Dihydralazin, oral
  • Urapidil, oral
Neue Therapieoptionen

Sildenafil (Revatio) ist mittlerweile für die PAH zugelassen und eingeführt. Der PDE5-Inhibitor Tadalafil (Cialis) wird derzeit in Studie getestet.
Weitere Endothelin-Antagonisten (Sitaxsentan, Ambrisentan)werden voraussichtlich 2006/2007 zugelassen werden.
Neue Substanzgruppen in der klinischen Erprobung sind u.a. Imatinib (Glivec) und Guanylat-Cyclase-Stimulatoren.

Neue Klassifikation der pulmonalen Hypertonie (Weltkongress in Venedig, Juni 2003)
Pulmonal Hypertonie
1. Pulmonal-Arterielle Hypertonie (PAH) oder neu Idiopathisch-Pulmonal-Arterielle Hypertonie (IPAH)
  • idiopathisch
  • Familiär

    PAH in Verbindung mit

  • Kollagenosen
  • Angeborenen Herzfehlern
  • Portaler Hypertonie
  • HIV-Infektion
  • Medikamenten und Toxinen (v.a. Appetitzügler)
  • Anderem
  • PAH mit signifikanter venöser und/oder kapillärer Beteiligung (Hämangiomatose, Venenverschlusserkrankungen)
  • Persistierende pulmonale Hyperonie bei Neugeborenen (PHN)
    2. Pulmonale Hypertonie mit Linksherzerkrankung
  • Linksatriale bzw. linksventrikuläre Herzerkrankungen
  • Linksseitige valvuläre Herzerkrankungen
    3. Pulmonale Hypertonie mit Lungenerkrankungen und/oder Hypoxämie
  • Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen (COPD)
  • Interstitielle Lungenerkrankungen
  • Schlafbezogene Atemstörungen (v.a. obstruktive Schlafapnoe), zentrale alveoläre Hypoventilation, Höhenerkrankungen bei chronischer Höhenexposition, Lungenerkrankungen bei Frühgeborenen
    4. Pulmonale Hypertonie infolge chronischer thrombotischer und/oder embolischer Erkrankungen
  • Obstruktion der distalen Pulmonalarterien
  • Obstruktion der proximalen Pulmonalarterien
  • Lungenembolien (Tumoren, Parasiten, Fremdmaterial
    5. Andere
  • Sarkoidose, Histozystosis X, Lymphangiomatose, Kompression von Pulmonalgefässen (Adenopathien und Tumoren, fibrosierende Mediastinitis)
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