Betrug am Immunsystem:

Drei aktuelle Studien zeigen, wie nach einer Transplantation die Abstossung des fremden Organs umgangen werden kann.

Menschen, denen ein Organ transplantiert wurde, müssen mit Medikamenten behandelt werden, die ihr Immunsystem unterdrücken. Die Körperabwehr würde das Transplantat sonst als Fremdgewebe bekämpfen. Auf dem internationalen Kongress der US-amerikanischen Transplantation Society in Miami, Florida, wurden drei Studien vorgestellt, die Alternativen zu dieser ‚Immunsuppression‘ aufzeigen.

Gewöhnung an Zellen

Im Rahmen in Indien durchgeführten Studie wurde den Organempfängern noch vor der eigentlichen Transplantation Nierengewebe des Spenders in den Thymus gespritzt. Diese Drüse unterhalb des Brustbeins gilt als der «Ausbildungsort» für die T-Zellen des Immunsystems. Die Entwicklung dieser weissen Blutkörperchen wird innerhalb des Drüsengewebes von Hormonen gesteuert.

Mit der Injektion des Nierengewebes 19 Tage vor der Transplantation hofften die Mediziner vom indischen Institute of Kidney Diseases in Ahmedabad die T-Zellen im Thymus mit dem Fremdgewebe «bekannt zu machen». Zehn Tage vor der Operation wurden den Patienten zusätzlich Stammzellen aus dem Knochenmark des Spenders in die Blutbahn sowie ins eigene Knochenmark injiziert.

Wie die Forscher am Montag auf dem Kongress berichteten, hat die Behandlung der 26 Patienten den gewünschten Erfolg gezeigt: Das Immunsystem greift das fremde Organ nicht an. Offenbar sind die Zellen der Körperabwehr an die Zellen des Fremdgewebes «gewöhnt» worden. Allerdings wurde das Medikament zur Unterdrückung des Immunsystems erst vor einem Monat abgesetzt. Die Frage, ob die Transplantate dauerhaft toleriert werden, ist noch offen.

Schrittweise Entwöhnung

Forscher von der University of Pittsburgh haben für ihre Studie Patienten untersucht, denen Dünndarm-Transplantate verpflanzt worden waren. Das Organ gilt als besonders anfällig für Abstossungsreaktionen. Zusätzlich zu den Transplantaten hatten die Patienten vor der Operation bestrahlte Gewebestücke des Spenders in den Darm implantiert und dessen Knochenmark gespritzt bekommen. Den Forschern gelang es jetzt, die Transplantate mit deutlich geringeren Dosen eines gebräuchlichen Immun-Suppressions-Wirkstoffes vor dem Abwehrsystem der Empfänger zu schützen, als sie normalerweise Transplantat-Empfängern verabreicht werden.

Zwar mussten die Mediziner die neue Medikamenten-Behandlung in einigen Fällen abbrechen, da bei drei der zwölf Patienten die ersten Anzeichen einer Abstossung auftraten. Bei den anderen neun Patienten könnten die Medikamente möglichweise innerhalb eines Jahres ganz abgesetzt werden, glauben die Mediziner aus Pittsburgh.

Friedliche Koexistenz

In einem dritten Verfahren, das Mediziner von der Stanford University jetzt vorstellten, wurde das Knochenmark der Organspender bereits Wochen vor ihrer Operation mit Wachstumsfaktoren behandelt, um die Zahl der Stammzellen im Blut zu erhöhen. Das behandelte Knochenmark wurde den Spendern entnommen und elf Tage nach der Transplantation den Empfängern gespritzt. Diese waren zuvor Bestrahlungen unterzogen worden, die auf die Entstehungsorte der T-Zellen fokussiert waren. Zusätzlich wurde ein Medikament gegeben, das die Zellen des Immunsystems weiter dezimierte.

Bei drei von vier Patienten stellte sich daraufhin eine «friedliche Koexistenz» körpereigener und körperfremder Zellen ein. Bei zwei der Patienten zeigten sich keine Reaktionen des Immunsystems auf das Transplantat und die Medikamente zur Unterdrückung konnten abgesetzt werden. Wie der Mediziner Samuel Strober sagte, sei die Anzahl behandelter Patienten aber noch zu gering, um endgültige Schlüsse ziehen und eine alternative Behandlung von Organ-Empfängern empfehlen zu können.

[@uelle Netzzeitung]