5. Europäischen Tags für Organspende und Transplantation
2. Oktober 2003:
Anlässlich des ‚5. Europäischen Tags für Organspende und Transplantation‘ am 4. Oktober 2003 in Stockholm erklären der Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der Enquête-Kommission ‚Ethik und Recht der modernen Medizin‘, Thomas Rachel MdB, und die zuständige Berichterstatterin für die Transplantationsmedizin in der Enquête-Kommission, Julia Klöckner MdB:
In Deutschland warten gegenwärtig etwa 14.000 schwerkranke Menschen auf ein Organ. Schätzungsweise wird die Nachfrage nach humanen Organen jährlich um 15% wachsen. Dennoch ist die Bereitschaft der Bevölkerung – nach dem Tod oder auch zu Lebzeiten – einem Mitmenschen mit einer Organspende zu helfen, im Vergleich zu den meisten anderen europäischen Ländern geringer. Bereits 30% der Patienten auf den Wartelisten sterben, während sie auf die Transplantation warten. Deshalb muss man sich neuen Denk- und Handlungsansätzen öffnen.
In den vergangenen 20 Jahren haben sich Organtransplantationen in Deutschland bereits zum Standard der medizinischen Versorgung entwickelt. Dank des wissenschaftlichen Fortschritts liegt derzeit die Funktionsrate der implantierten Organe von postmortalen Spendern durchschnittlich nach fünf Jahren immerhin bei ca. 60%, die Überlebenschance mit transplantierten Organen von einem Lebendspender verhält sich noch besser. Nach der Einführung des Transplantationsgesetzes im Jahr 1997 ist die ‚Deutsche Stiftung Organtransplantation‘ mit der Koordinierung der Organspende post mortem und das Eurotransplant für die Organverteilung beauftragt worden. Im Jahr 2002 wurden in gut 40 Transplantationszentren insgesamt 3.690 Organübertragungen durchgeführt. Und einen Organspendeausweis kann man sich mittlerweile aus dem Internet in Sekunden herunterladen (www.akos.de/organspende/ausweis.html). Auch in Arztpraxen und Apotheken ist er erhältlich.
Obwohl nach einer Forsa-Umfrage von 2002 mehr als 80% der Bevölkerung die Organspende für sinnvoll halten, verfügen allerdings nur etwa 12% der Deutschen über einen Organspendeausweis. Aufgrund der langen Wartezeit – derzeit durchschnittlich etwa fünf Jahre – hat die Zahl der deutschen Patienten, die sich im Ausland ein Organ kaufen, trotz des Verbotes des Organhandels in den vergangenen Jahren zugenommen. In jüngster Zeit ist ausserdem das Phänomen des so genannten ‚Organtourismus‘ in arme osteuropäische Länder wie Moldawien vermehrt publik geworden. Dagegen gibt es auf der europäischen Ebene jedoch noch keine einheitlichen Regelungen. Es ist wichtig, dass wir kranken Menschen durch Organspende und verbesserte medizinische Versorgung helfen. Dennoch sind wir strikt dagegen, dass aufgrund finanzieller Nöte Menschen dazu gezwungen werden, eigene Organe zu verkaufen und damit dem illegalen Organhandel Vorschub zu leisten.
Untersuchungen belegen, dass bei jährlichen 50.000 Todesfällen in deutschen Krankenhäusern in 10% der Fälle ein Hirntod eintritt. Bei konsequenter Umsetzung des Transplantationsgesetzes, nämlich die Prüfung der Zulässigkeit der Organentnahme in jedem Todesfall nach dem Hirntod, würden bei einer erhöhten Zustimmungsquote von 50% also genügend Organe für den Versorgungsbedarf zur Verfügung stehen. Im Jahr 2002 hatten sich in Deutschland jedoch nur etwa 17% der Spender zu Lebzeiten für eine Spende ausgesprochen.
Die Organspende ist eine verdienstvolle Tat, die als Ausdruck grossherziger Solidarität gefördert werden sollte. Dabei müssen wir den mutmasslichen Willen des Verstorbenen und potenziellen Lebendspenders unbedingt immer berücksichtigen. Hinsichtlich der grossen Kluft zwischen der Nachfrage und dem Angebot von humanen Organen ist es von zunehmender Bedeutung, dass Mediziner und Forscher nach neuen Alternativen zu humanen Organen wie etwa Kunstorganen, künstlichen Organen und Tierorganen suchen. Forschungen und gesellschaftliche Aufklärungen in diesen Bereichen müssen in Zukunft verstärkt gefördert werden. Mit dem ‚5. Europäischen Tag für Organspende und Transplantation‘, der seit 1996 alle zwei Jahre in einem europäischen Land stattfindet, soll das Bewusstsein der Bevölkerung für die Organspende schärfen.
In der Enquête-Kommission ‚Ethik und Recht der modernen Medizin‘ wird das Thema ‚Transplantationsmedizin‘ einer der grossen Schwerpunkte sein. Deshalb ist dazu Anfang des kommenden Jahres eine öffentliche Anhörung im Deutschen Bundestag geplant.
Autor(en): Julia Klöckner, Thomas Rachel