Reto Blumer: Aufatmen nach der Operation
Verstorben:
Wenn die letzte Seite dieses Lebens
geschrieben ist, wurde doch nur
das Vorwort zum Lebensbuch
der Ewigkeit vollendet.
Der 14-Jährige war unheilbar lungenkrank. Eine Organspende rettete sein Leben. Dank SOS Beobachter kann ihn die Mutter regelmässig besuchen.
Reto Blumer spielt mit seinem FCB-Handy. Neben dem Bett steht ein FCB-Energy-Drink. An der Wand hängen drei FCB-Leibchen, ein FCB-Banner, ein Poncho mit FCB-Logo, fünf FCB-Foulards und eine FCB-Mütze. «Der FCB ist die schnellste und die originellste Mannschaft der Schweiz», sagt der junge Patient. «Warum? Sie haben klar die besten Fans.»
In der Spielgruppe sei er «immer der Letzte» gewesen, erinnert sich der 14-Jährige nach längerem Zögern an seine Kindheit. «Ellbögeln ging nicht.» Manchmal habe er sich gewünscht, man solle «den vielen Schleim in meiner Lunge einbetonieren, damit er nie mehr stört». Die Diagnose stand schon bald nach der Geburt fest: «zystische Fibrose» eine Stoffwechselkrankheit, die Lungen, Darm und verschiedene Drüsenfunktionen in Mitleidenschaft zieht. Sie ist vererbbar und trifft eines unter 2000 Neugeborenen.
Die Nachricht traf die Mutter aus heiterem Himmel. «Ihr Kind wird eines Tages ersticken», hiess es. Die Eltern sassen am Küchentisch und weinten. Wenig später wechselte Elisabeth Blumer ihrem Sohn die Windeln. Er strahlte sie an, als wollte er fragen: Was hast du nur? «Da wusste ich: Ich werde ihn niemals aufgeben.»
Die Physiotherapeutin hielt Retos Brustkorb beweglich. Die Vibrationen sollten den zähen Schleim lösen. Dreimal täglich standen Inhalationen an. Das strenge Regime zeitigte Wirkung: Alle Zeichen deuteten auf eine Stabilisierung.
Unihockey trotz allem
Im Sommer 1999 trat Reto den Junioren der Unihockeymannschaft Blau-Gelb Cazis bei. Sein Einsatz war flexibel: «Wie alle spielte ich im Sturm und als Verteidiger. Ich schaute, dass ich immer anspielbar war.» Der sportliche Erfolg von Blau-Gelb blieb «leider mässig. Bis jetzt haben wir immer aufs Dach bekommen.»
Nach dem Match hing Reto zu Hause jeweils «halb tot an der Sauerstoffmaschine». Nach 30 Minuten war er wieder fit. «Ich bin sehr zäh», sagt er. «Aber mein Körper benötigte die Energien für anderes als für den Muskelaufbau.»
Ende 2000 zog der Kinderarzt erstmals eine Lungentransplantation in Erwägung. Ein Jahr später fiel der Entscheid: Das Warten auf das Spenderorgan begann. Der 12-Jährige musste rund um die Uhr erreichbar sein. Er erhielt einen Pager. Am Dienstag, dem 12. Februar 2001, fiel in Cazis der Religionsunterricht aus. Bis zur Mathestunde dauerte es zwei Stunden. Um 14.30 Uhr piepste der Pager. Reto spielte gerade Fussball. «Wir haben eine Lunge für dich», hiess es am Telefon. Reto raste nach Hause. Er habe soeben ein Goal geschossen, erzählte er der Mutter, sie seien doch gerade am Gewinnen gewesen, «warum ausgerechnet jetzt?». Um 15.30 Uhr landete der Helikopter neben dem Haus des Dorflehrers; um 17 Uhr setzte er vor dem Universitätsspital Zürich auf.
Die Ärzte rieten Elisabeth Blumer, nach Hause zu fahren. «Du warst eine gute Mutter», hatte Reto vor dem Eingriff noch gesagt. Die Operation dauerte sechs Stunden. Um 5.30 Uhr rief der Arzt an: «Dem Patienten geht es gut!» Reto liegt aber noch immer im Krankenhaus, um Abstossungsreaktionen der gespendeten Lunge zu therapieren.
Seit 1995 erzieht Elisabeth Blumer ihre drei Töchter und Reto allein. «Der finanzielle Druck ist gross.» Dank Spendengeldern von SOS Beobachter kann sie ihren Sohn dennoch täglich im Universitätsspital Zürich besuchen.
[@uelle Beobachter / Von Ueli Zindel Bild: Judith Stadler]