Im Jahre 2003 wurden in der Bundesrepublik Deutschland etwa 3.400 viszerale Organe transplantiert.

Zusammen mit den im benachbarten Ausland Organtransplantierten lässt sich die Gesamtzahl der in Deutschland lebenden transplantierten Patienten auf derzeit etwa 70.000 bis 100.000 schätzen. Unter lebenslanger Immunsuppression können heutzutage Überlebenszeiten post transplantationem von 20 Jahren und mehr erreicht werden. In den ersten Jahren nach einer Organtransplantation stehen virale, bakterielle und mykotische Infektionen im Vordergrund. Engmaschige dermatologische Untersuchungen können hier zur frühzeitigen Diagnose auch systemischer Infekte beitragen.

Parallel zur gesteigerten Überlebenszeit zeigt sich unter der chronischen Immunsuppression ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Malignomen, darunter am häufigsten Hauttumoren. So entwickeln innerhalb der ersten fünf Jahre 40% der Patienten prämaligne und maligne Tumoren wie aktinische Keratosen, Morbus Bowen, Basalzellkarzinome, Melanome und vor allem spinozelluläre Karzinome. Diese zeigen häufig einen aggressiveren Verlauf und neigen eher zur Metastasierung.

Ein Grossteil der Hauttumoren wäre durch regelmässige Früherkennungsuntersuchungen und rechtzeitige Behandlung vermeidbar. Angesichts weltweit stetig wachsender Zahlen organtransplantierter Patienten sowie ansteigender Langzeitüberlebensraten, stellt die interdisziplinäre dermatologische Betreuung dieser Patientengruppe eine besondere Herausforderung für die Zukunft da. Organtransplantationen wurden erst durch die Entwicklung von immunsuppressiven Wirkstoffen ermöglicht. Die lebenslange Immunsuppression stellt bis heute die Basisprophylaxe gegen Transplantatabstossungen dar. Die Kehrseite einer lebenslangen Immunsuppression ist ein in diesem Zusammenhang häufig unterschätztes Problem. Besonders Infektionserkrankungen stellen in den ersten beiden Jahren nach Transplantation eine wesentliche Komplikation dar.

Damit einhergehende Hautveränderungen zeigen nur selten eine typische Klinik und verlaufen oft unspezifisch. Ab dem zweiten Jahr einer immunsuppressiven Therapie ist ausserdem eine starke Häufung von Hauttumoren, Lymphomen, Kaposi-Sarkomen,Vulva- und Zervixkarzinomen zu beobachten. Während eine engmaschige Überwachung der Transplantatfunktion und Immunsuppression organtransplantierter Patienten durch spezielle Ambulanzen in chirurgischen bzw. internistischen Fachgebieten gängige Praxis ist, gehört eine regelmässige dermato- Im Vergleich nur eine Bagatelle – Transplantationsmedizin und Dermatologie logische Betreuung bisher nur in Einzelfällen zum Standard. Dabei lassen sich gerade am Hautorgan viele der angeführten Folgeerkrankungen bereits im Frühstadium erfolgreich diagnostizieren und therapieren.

Umso tragischer ist, dass Patienten mit einer oft jahrzehntelangen Krankheitsgeschichte und einer nicht immer selbstverständlichen Transplantation – täglich sterben etwa drei Patienten, die für eine Transplantation gelistet sind, aber nicht rechtzeitig ein entsprechendes Organ erhalten haben – diese hautärztliche Versorgung nicht erhalten. Hauttumore Mit fast 50% aller malignen Tumoren sind Hauttumoren die am häufigsten diagnostizierten Neoplasien organtransplantierter Patienten. Untersuchungen an Herz- und nierentransplantierten Patienten belegen ein signifikant erhöhtes Risiko zur Bildung nichtmelanozytärer Hauttumoren. Die Patienten entwickelten dabei in der Mehrzahl Plattenepithelkarzinome, gefolgt von Basalzellkarzinomen.

Prämaligne Hautveränderungen wie aktinische Keratosen sind bei organtransplantierten Patienten signifikant erhöht. Bei 40% der Erstvorstellungen organtransplantierter Patienten lassen sich prämaligne und maligne Hautveränderungen diagnostizieren. 22% der Patienten zeigten bisher nicht diagnostizierte Plattenepithelkarzinome, 17% Basalzellkarzinome, 12% Morbus Bowen und knapp 5% maligne Melanome. Aktinische Keratosen werden bei 43% dieser Patienten gefunden.

Maligne Hauttumoren steigen kumulativ mit der Dauer der Immunsuppression an. Untersuchungen nierentransplantierter Patienten in Australien zeigten bereits nach einer zwölfmonatigen Immunsuppression bei 7% maligne Hautveränderungen. Nach 20 Jahren war deren Vorkommen auf bis zu 70% angestiegen.Vergleichbare Studien aus den Niederlanden zeigen eine kumulative Tumorrate von 0,2% nach dem ersten Jahr und 41% nach 20-jähriger Immunsuppression.Während in Kanada nierentransplantierte Patienten durchschnittlich nach 7 bis 8 Jahren Immunsuppression Hauttumore entwickeln, beträgt die Dauer bis zum Auftreten von Hauttumoren in Australien durchschnittlich weniger als drei Jahre.

Spanische Untersuchungen herztransplantierter Patienten zeigten ebenfalls eine durchschnittliche Dauer von 31,5 Monaten, wobei Plattenepithelkarzinome im Mittel nach 36 und Basalzellkarzinome nach 25,3 Monaten auftraten. Für nierentransplantierte Patienten wurde neben dem deutlich erhöhten Risiko nichtmelanozytärer Hauttumore auch eine 2 bis 9 mal höhere Inzidenz für maligne Melanome gezeigt.

Auch Merkelzell-Karzinome treten bei Organtranplantierten signifi- kant häufiger auf. Für sie konnte eine im Vergleich zur Normalbevölkerung 50 bis 500fach erhöhte Inzidenz nachgewiesen werden.

Angesichts der überdurchschnittlich guten Compliance organtransplantierter Patienten scheinen unterschiedliche Strategien der Primär- und Sekundärprophylaxe geeignet zu sein, die hohe Inzidenz maligner Hauttumore zu senken. Spezialisierte Ambulanzen, als Bestandteil einer interdisziplinären Sprechstunde oder als spezielle Einrichtung einer dermatologischen Abteilung sind in der Lage, die Ver-sorgung organtransplantierter Patienten zu optimieren – diese gibt es bisher an den Universitätshautkliniken Berlin, Heidelberg, Düsseldorf, Kiel und München. Ein standardisiertes Nachsorgeprogramm, im Rahmen eines Netzwerkes entsprechender Ambulanzen, soll eine flächendeckende Versorgung transplantierter Patienten gewährleisten. Bereits prä-transplantationem sind bei jedem Patienten bekannte Risikofaktoren zu evaluieren und ein individuelles Risikoprofil zu erstellen. Bei der Erhebung des Hautzustandes ist besonders auf das Vorliegen relevanter Infektionserkrankungen sowie maligne und prämaligne Hautveränderungen zu achten. Die Erstellung eines risikoadaptierten Nachsorgeplans ist die Grundlage der weiteren dermatologischen Betreuung und sollte den behandelnden Kollegen der anderen Fachgebiete mitgeteilt werden.

[@uelle: 19. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie]
Print Friendly, PDF & Email