Jeannette Kuschke (35) erhielt vor zwei Jahren ein neues Herz und eine neue Lunge. Nun ist äusserste Selbstdisziplin gefragt.

„Es geht mir gut”, sagt Jeannette Kuschke zu sich und den Mitgliedern der Herner Selbsthilfegruppe. Elke Golfmann vom Deutschen Allergie- und Asthmabund hat die Hernerin eingeladen, um von ihrer erfolgreichen Herz- und Lungentransplantation zu berichten – „damit man mal hört, wie man Hilfe bekommen kann.”

Viel Glück gehörte dazu, dass die 35-Jährige heute Rede und Antwort stehen kann. Nachdem sie mit 25 das erste Mal umgekippt war, folgten sieben Jahre mit etlichen Fehldiagnosen und falschen Behandlungen. „Ich musste jahrelang Tabletten gegen Epilepsie nehmen”, erzählt Kuschke, „die haben überhaupt nicht geholfen. Am Ende wollten die Ärzte mich sogar zum Psychiater schicken, weil sie nichts Körperliches finden konnten.” Im März 2007 stellte das Herner Marienhospital dann endlich die richtige Diagnose: Pulmonale Hypertonie – eine vererbte Herz- und Lungenfehlfunktion, die sich durch eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit bis hin zu Ohnmachtsanfällen äussert. Im April 2008 wurden ihr in der Medizinischen Hochschule in Hannover Herz und Lunge transplantiert.

Bevor Kuschke ihre Geschichte erzählen kann, kommen die ersten Fragen aus der Gruppe: „Wie krieg ich denn meine Sauerstoff-Flasche mit ins Flugzeug?” Oder: „Hatten Sie auch so ein lautes Beatmungsgerät, dass Sie nachts nicht schlafen konnten?” Diejenigen, die gehofft haben, dass Probleme nach einer Transplantation Geschichte sind, muss Kuschke enttäuschen. Fast zwei Jahre nach der Operation fordern die neuen Organe noch immer äusserste Selbstdisziplin von ihr.

„Sie sind jetzt in Preussen, was ich sage ist Gesetz”, habe der behandelnde Arzt zu ihr gesagt. Täglich nehme sie 39 Tabletten ein – „jeden Tag zur selben Zeit, auf die Minute genau”, sagt sie durch ihren Mundschutz. Den trage sie, wenn sie unter Menschen ist. Ständig müsse sie sich beobachten, täglich ihr Lungenvolumen messen und bei der kleinsten Veränderung bei der Klinik in Hannover anrufen, um nachzufragen. Auch ihre Ernährung habe sie umstellen müssen. Rohes sei nun verboten, Gemüse nur gekocht erlaubt, auch Salat sei tabu – „den vermisse ich am meisten”, bedauert sie.

Die grösste Gefahr für Jeannette Kuschke ist und bleibt jedoch, dass ihr Körper die fremden Organe eines Tages abstossen wird. Um dies zu verhindern, müssen Transplantations-Patienten so genannte Immunsuppressiva einnehmen. Sie vermindern die Funktionen des Immunsystems, damit sich der Körper nicht gegen die fremden Organe wehrt. Gleichzeitig werden die Patienten anfälliger für andere Krankheiten – das Krebsrisiko steigt. „Nach der Transplantation kann man nicht sagen: Jetzt bin ich gesund”, klärt Kuschke auf. „Man tauscht eine Krankheit gegen viele andere ein.” Doch sie gibt sich kämpferisch: „Für mich ist das alles inzwischen normal.” Sie wisse aber, dass eine Transplantation nicht für jeden der richtige Schritt sei. Viel Eigeninitative und die strikte Einhaltung der Therapievorgaben seien nötig. „Wenn ich transplantiert werden will”, sagt sie, „muss ich alles dafür tun, was in meiner Macht steht. Ich bekomme da ja ein Geschenk, das ich in Ehren halten muss.”

Jeannette Kuschke ist sich sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Jetzt habe sie ihre Familie zurück, könne ihre Tochter selber zum Kindergarten bringen und sogar wieder Sport treiben. Sie hofft, dass noch mehr Menschen mit einer Transplantation geholfen werden kann. Dazu sind aber Spender nötig. „Man sollte mit den Verwandten besprechen, ob man dazu bereit ist, seine Organe zu spenden oder einen Spenderausweis bei sich tragen”, fordert sie.

[@uelle: WAZ | Herne, 08.02.2010, Björn Bowinkelmann]
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