Pilz aus Norwegen macht Karriere

In einer Handvoll norwegischer Erde liegt der Ursprung für die Entwicklung von Ciclosporin. Es war die Zeit, als Forscher, die neue pharmakologisch wirksame Substanzen suchten, Bodenproben sammelten, wohin immer sie reisten. 1969 machte Hans-Peter Frey von dem Baseler Unternehmen Sandoz Ferien in Norwegen und nahm in der Region Hardanger Vidda Bodenproben. In Basel wurden die Proben sogleich aufgearbeitet und der Pilz Tolypocladium inflatum Gams isoliert. In seinen Myzelien fanden sich 25 lipophile, zyklische Peptide, darunter Ciclosporin A. Da die Substanzen auf viele biologische Eigenschaften geprüft wurden, entdeckte man bald, dass Ciclosporine Immunreaktionen unterdrückten, am besten Ciclosporin A.

Erste Versuche mit Nagetieren, Hunden und Schweinen

In den Anfängen der Transplantationsmedizin wurden vor allem lebend gespendete Nieren von nahen Angehörigen transplantiert. Erst 1962 gelang es, einen Langzeiterfolg mit der Übertragung einer Niere von einem hirntoten Menschen zu erzielen. Ausser Cortison gab es damals nur einen Eckpfeiler in der Abstossungsprophylaxe: Azathioprin.

Das änderte sich wesentlich, als Ciclosporin A auf den Markt kam. Dessen Einführung 1983 als Sandimmun® gilt als Meilenstein in der Transplantationsmedizin, denn es senkte die Abstossungsraten von allogenen Nieren schlagartig um 20 Prozent. Nach dem weiterentwickelten Präparat Sandimmun® Optoral resp. Neoral ist schliesslich Mitte 2001 mit Cicloral® ein weiteres Ciclosporin-Medikament auf den Markt gekommen.

Weiterer Vorteil von Ciclosporin A ist, dass es die Hämatopoese nicht hemmt und dass es nicht lymphozytotoxisch ist, denn seine Effekte sind reversibel. Zudem wirkte es in allen untersuchten Tierspezies, von Nagetieren bis zu Affen.

Ein Mitarbeiter des britischen Chirurgen Sir Roy Yorke Calne vom Addenbrooke´s Hospital in Cambridge sass im Publikum, als Sandoz-Mitarbeiter die präklinischen Studienergebnisse zu Ciclosporin A bei der Jahrestagung der Britischen Gesellschaft für Immunologie 1976 vorstellten.

Die Substanz schien den britischen Forschern – schon damals Pioniere der Transplantationsmedizin – interessant zu sein. Sie erprobten Ciclosporin erstmals für allogene Nieren- und Herzverpflanzungen an Nagern, Hunden und Schweinen. Die Substanz verlängerte die Überlebensraten der Organe im Vergleich mit Azathioprin und Prednisolon erheblich.

Calne hatte schon Azathioprin für die Transplantation bei Menschen anwendbar gemacht und trug nun wesentlich zur klinischen Entwicklung von Ciclosporin für die Anwendung nach Organtransplantationen bei.

Als Basisimmunsuppressivum zur Prophylaxe von Abstossungsreaktionen ist Ciclosporin A heute Mittel der Wahl nach Nieren-, Pankreas-, Herz- oder Lungenübertragung, und es wird häufig mit Cortison und Azathioprin kombiniert.

Mit der Markteinführung des weiterentwickelten Ciclosporin-Präparates Mitte der 90er Jahre liessen sich schliesslich stabilere Konzentrationen im Blut erzielen und die Funktionsraten der Transplantate steigern. Das verbesserte Profil erwünschter und unerwünschter Wirkungen hilft, Arzneien und Überwachungsmassnahmen einzusparen.

Ciclosporin hat die Transplantation revolutioniert

Mit dem Immunsuppressivum lassen sich gezielt die aggressiven T-Lymphozyten ruhigstellen
Im Zentrum der Immunabwehr nach einer Organtransplantation stehen die T-Zellen: sie können mit anderen Zellen ein fremdes Organ komplett zerstören. Deshalb wird versucht, die T-Lymphozyten ruhig zu stellen. Mit dem Immunsuppressivum Ciclosporin A, das tatsächlich vor allem auf T-Zellen wirkt, gelang der Durchbruch in der Transplantationsmedizin.

Für die Organabstossung sind vor allem drei Vorgänge massgebend, die in der Aktivierung der T-Zellen münden: Das Zusammenspiel der T-Lymphozyten mit Zellen, die Antigene des fremden Organs dem Immunsystem zeigen, die Erkennung der Antigene über Rezeptoren sowie zellstimulierende Signale. Mit der Immunsuppression wird versucht, genau diese Aktivierung zu unterdrücken.

Dies gelingt zum einen unspezifisch, indem mit dem seit den 60er Jahren verwendeten Azathioprin die DNA- und RNA-Synthese gehemmt wird. Mit diesem Präparat wird die Vermehrung aktivierter B- und T-Zellen verhindert. Noch weniger selektiv wirken Glukokortikoide. Diese breit wirkenden antientzündlichen Substanzen hemmen im Immunsystem die Zytokin-Synthese der T-Zellen und Makrophagen. Sowohl die T-Zell-Aktivierung, als auch die durch Makrophagen vermittelte Gewebezerstörung wird so verhindert.

Deutlich spezifischer wirkt das Polypeptid Ciclosporin. Denn es hemmt in T-Zellen Calcineurin, ein Enzym, das unerlässlich ist, damit die Weiterleitung des Signals zur Zellaktivierung über den T-Zell-Rezeptor klappt. Folge der Enzymhemmung ist, dass der Wachstumsfaktor Interleukin 2 nicht mehr synthetisiert wird.

Ähnlich wirkt auch Tacrolimus, das vor allem nach Lebertransplantationen verwendet wird. Es bindet allerdings mit einem Protein fester an Calcineurin. Das aus Streptomyceten gewonnene Rapamycin (Sirolimus) verhindert schliesslich ebenfalls die Aktivierung der T-Zellen durch Interleukin 2, aber ohne die Synthese des Wachstumsfaktors zu unterbinden.

Ebenfalls spezifisch hemmt das Zytostatikum Mycophenolat Mofetil die Aktivierung von T- und B-Zellen nach einer Organtransplantation, weil es ausschliesslich in Lymphozyten die Neusynthese von DNA-Bausteinen unterbindet.

Mit diesen Substanzen ist die Palette an immunsuppressiven Stoffen noch nicht erschöpft. Auch Antikörper werden inzwischen zur Prophylaxe von Abstossungsreaktionen verwendet. Das erste Antikörperpräparat war das Antithymozyten/Antilymphozyten-Globulin aus dem Serum von Pferden oder Kaninchen.

Mit der genauen Erforschung der T-Zellen entdeckte man, welche Strukturen für die Aktivierung dieser Abwehr wichtig sind. Inzwischen gibt es monoklonale Antikörper: Daclizumab (Zenapax®) und Basiliximab (Simulect®. In Kombination mit Ciclosporin und Glukokortikoiden werden sie zur Prophylaxe akuter Abstossungen verwendet.

Copyright: Ärzte Zeitung

Print Friendly, PDF & Email