Das Leben ist wieder lebenswert und ich geniesse es in vollen Zügen

Es war schon ein rechter Schock, als mir Professor Solèr, Pneumologe am St. Claraspital Basel eine Transplantation für meine kranke Lunge vorgeschlagen hatte. Kurz darauf sassen meine Frau Esther und ich in einer Ecke eines Aufenthaltsraumes beieinander und weinten zusammen still vor uns hin. Eine Krankenschwester versuchte uns zu trösten und brachte uns einen Tee aus Orangenblüten. Das half für kurze Zeit, aber die Angst vor dem Unbekannten blieb.

Erst nach und nach wurde uns klar, dass eine Transplantation die einzige Rettung darstellen würde. Eine idiopathische Lungenfibrose wurde schon drei Jahre vorher diagnostiziert und zusätzliche Untersuchungen, z.B. Biopsien, bestätigten diese Diagnose. Die Krankheit äusserte sich in einer langsamen Verschlechterung der Lungenfunktion und einem zunehmenden Sauerstoffmangel, sodass ich mehr und mehr in meiner Beweglichkeit eingeschränkt wurde. Ein ´Schub´ verschlimmerte erneut die Situation. Zum Glück brachte die Zufuhr von flüssigem Sauerstoff durch einen `Scoop`, einen dünnen Plastikschlauch direkt in die Luftröhre, einige Erleichterung. Trotzdem blieb die Angst zurück, denn ab und zu verstopfte der Scoop und brachte erneut grössere Atemnot.

Als ich sechs Monate später einen spontanen Pneumothorax erlitt, war für mich der Punkt gekommen, wo ich mich intensiv mit der Möglichkeit einer Transplantation befassen musste. Ich hatte Gespräche mit zwei Götti, die mir von ihren äusserst positiven Erfahrungen mit ihrer neuen Lunge berichteten. Diese Informationen waren derart aufbauend, dass ich von einer Operation nur das Allerbeste erwarten durfte.

Die ersten Kontakte mit den Ärzten des Lungentransplantationszentrums des Universitätsspitals Zürich (USZ) haben mich überzeugt, dass ich mich dort in den besten Händen befinden würde. Ich habe mich deshalb definitiv für eine Lungentransplantation entschlossen, weil ich fest daran glaubte, dass diese erfolgreich sein und mir eine bedeutende Verbesserung der Lebensqualität und –Erwartung bringen würde. Ich habe Frau Prof. Böhler gebeten, mich in das Transplantations-programm aufzunehmen und die nächsten Schritte zur Vorbereitung einzuleiten.

Im Sommer 2003 wurde ich vom USZ zu einem intensiven Check aufgeboten. 14 Tage lang wurde ich auf Herz, Nieren und alle anderen Organe untersucht (auch die Zähne). Dabei stellt sich heraus, dass – von kleinen Ausnahmen abgesehen – keine grösseren Schäden zu ermitteln waren. Und deshalb konnte ich auf die Warteliste gesetzt werden.

Ja, zum Glück! Aber jetzt war die schwerste Zeit angebrochen. Die Frage, ob für mich eine geeignete Lunge gefunden werden konnte, war jeden Tag präsent. Vor allem abends und nachts kam es oft zu heftigen Panikattacken, sei es durch einen Sauerstoffmangel, sei durch eine plötzliche Assoziation im Gespräch, beim Lesen, beim Fernsehen oder beim Träumen. Während der ganzen Zeit war Sauerstoff mein Begleiter.

Es gab aber verschiedene Möglichkeiten, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Als einfachstes Mittel diente ein Tee aus Orangenblüten. Bei intensiver Panikattacke erwies sich die so genannte ’Aktive Entspannung’ als hilfreich. Der Arzt und Psychiater Dr. Loew hatte mir beigebracht, wie Panik durch intensive Anspannung und nachfolgende Entspannung gewisser Muskeln gelöst werden kann. Als letzte Möglichkeit blieb mir immer noch ein Medikament, mit dem ich die Angstzustände rasch und zuverlässig behandeln konnte.

Während der ganzen Zeit hat mich meine Frau Esther liebevoll begleitet; sie half mir, tröstete mich und sprach mir neuen Mut zu, wenn eine Panik mich ergriff.

Dann plötzlich nach dreieinhalb Monaten – es war der 4. November 2003, ein Dienstagabend – rief die Koordinationsstelle an und erklärte, sie hätten eine Lunge für mich bereit. Ein Krankenwagen holte mich zuhause ab und brachte meine Frau und mich ins USZ. In der Notfallstation angekommen, lief alles wie am Schnürchen: letzte Untersuchungen, Blutentnahme, Vorbereitung zur Operation und hinein in eine neue Zukunft, voll vertrauend auf die Kunst der Chirurgen Prof. Weder, Dr. Lardinois und deren Team. Es blieb mir keine Zeit mehr zum Angsthaben.

Nach langen Stunden, die vor allem meiner Frau und den Kindern sehr lang vorkam, erwachte ich in einem Raum mit hellem Licht und vielen Apparaten, die blinkten und manchmal Töne von sich gaben. Voll Unverständnis reagierte ich mit Angst und wollte wissen, ob ich mich in einem utopischen Film befand. Eine Krankenschwester kam zu Hilfe und beruhigte mich mit einem Medikament. Dann endlich konnte ich weiterschlafen.

Schon am dritten Tag wurde ich auf eine Abteilung verlegt und konnte mich von der Operation erholen. Leider war aber anscheinend die Spenderlunge zu gross für meinen Brustkorb und so wurde eine Lungenvene zusammengedrückt. Deshalb musste noch einmal ein Eingriff gemacht und ein weiterer Teil der Lunge entfernt werden. Danach folgte eine schwierige Zeit, da ich nicht mit voller Kraft atmen konnte und mir eine äussere Atemhilfe angelegt werden musste. Dank der guten medizinischen Betreuung durch Frau Prof. Böhler und deren Ärzte- und Pflegeteam, den vielen und ermutigenden Besuchen meiner lieben Frau, unserer Kindern und Freunde konnte ich mit der Zeit auch dieses Problem bewältigen und mich endlich voll und ganz dem Gesundwerden widmen. Ein grosser Ansporn war dabei, dass ich Weihnachten zuhause bei meiner Familie feiern wollte. Eine junge Physiotherapeutin, die mich in meinen Anstrengungen zum Gesundwerden tatkräftig unterstützte, trug viel dazu bei,

Tatsächlich durfte ich Weihnachten 2003 als ’Wiedergeborener’ erfahren. Auch die weitere Zeit war ein Zurückkehren zum normalen Leben, wie ich es seit dem Anfang der Lungenprobleme nicht mehr erlebt habe. Atmen ist nicht mehr limitierend, die Lungenfunktion ist nun hervorragend, und die Sauerstoffkonzentration auch nach Anstrengungen immer über 95%. Schnelles Gehen und Treppensteigen bietet jetzt keine Probleme mehr, Nordisch Walken und Krafttraining im Folterraum ist wieder möglich.

Das alles verdanke ich dem grosszügigen Spender, respektive dessen Familie, die mir die Lunge für eine Transplantation geschenkt hat. Natürlich ist die Einnahme der hohen Medikamentendosen nicht immer ein Vergnügen und andere Massnahmen zur Erhaltung meiner allgemeinen Lebensqualität müssen tagtäglich verrichtet werden. Aber: das Leben ist wieder lebenswert und ich geniesse es in vollen Zügen, dankbar und glücklich.

[@uelle: Markus Wisson / Aesch, Dezember 2010]
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