Für Laien sicher noch eine unbehagliche Vorstellung: der Austausch menschlicher Organe. Aber – eine solche Operation ist heute Routine. Transplantationen (lat. für verpflanzen) retten Leben.

Der menschliche Körper ist weit weniger einzigartig, als wir uns das einbilden. Auch in fremder Umgebung würden unsere Nieren ihren Dienst gewissenhaft verrichten. Wie kamen Mediziner auf diese Idee? Welche Hindernisse galt es zu überwinden?

Anatomische Skizze
Anatomische Skizze von Leonardo da Vinci.

Der Mensch als Baukasten

Trotz grosser Fortschritte der Transplantationsmedizin bleibt ein Problem bestehen: die mangelnde Verfügbarkeit von Spendern. Die Patienten müssen oft lange warten, bis sich ein geeigneter Kandidat für sie findet. Und es ist eine Frage von Leben und Tod!

Spenden erwünscht!

Das bleibende Unbehagen über Transplantationen fand schon so manches Mal seinen Ausdruck in Schauermärchen und Gruselgeschichten.

Der Mensch als Baukasten

Er wollte wie Gott Leben schaffen: Dr. Henry Frankenstein zimmerte aus Leichenteilen einen menschlichen Körper zusammen und implantierte ihm ein Gehirn. Er erweckte seine Kreatur mit Stromstössen zum Leben. Doch sein Assistent Fritz hatte ein falsches Gehirn entwendet – der künstlich geschaffene Mensch wurde zum brutalen Monster und machte Jagd auf seinen Schöpfer.

Wie eine Gruselgeschichte

Zum Glück ist das nur die Handlung eines berühmten Films: Der Spuk endet beim Verlassen des Kinos.

Gehirne kann die moderne Medizin noch nicht transplantieren – aber sie ist auf dem besten Weg dorthin. In ihren Anfängen hätte die Transplantationsmedizin allerdings auch gut einem Schauermärchen entstammen können. Lange Zeit war die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem menschlichen Körper tabu. Der Vorschlag, Gewebe oder Organe aus einem Menschen zu entnehmen und einem anderen einzupflanzen, hätte einen rundweg auf den Scheiterhaufen gebracht.

Neues Wissenschaftsverständnis

Mit Beginn der Neuzeit wurde der Grundstein für unser heutiges Wissenschaftsverständnis gelegt. Der Mensch will den Dingen auf den Grund gehen, sachlich, gründlich, analytisch und ohne jede Voreingenommenheit. Grenzen sieht er dabei keine mehr. Für die Medizin brachte das ein neues Forschungsgebiet. Das Auftragen von Salben, die Bestimmung von Heilkräutern oder das Schienen gebrochener Knochen traten zurück hinter die Erforschung des menschlichen Körpers. Die Disziplin Anatomie entstand und klassifizierte den Menschen nach Gesichtspunkten, wie sie vorher nur für Tiere gegolten hatten. An Leichnamen wurde das Innere des Menschen erforscht. Die Vorstellung vom Menschen als Ganzheit trat zurück hinter pragmatischere Sichtweisen. Blindarm: kann rausoperiert werden. Milz: keine erkennbaren vitalen Funktionen. Der Mensch war nun schlicht die Summe seiner Teile.

Entzauberung des Körpers

Und mit diesen Erfahrungen lag der nächste Schritt nicht fern: Wenn der Mensch nur aus Teilen zusammengesetzt ist, können dann nicht einzelne Teile ersetzt werden? Warum sollte man leiden oder gar sterben müssen, nur weil ein kleines Rädchen im Getriebe versagt?

Im 17. Jahrhundert gab es erste Versuche, zerstörte menschliche Haut durch Gewebe von Tieren zu ersetzen. Aus dem 18. und spätem 19. Jahrhundert sind Berichte über Experimente überliefert, in denen versucht wurde, Schilddrüsengewebe zu ersetzen. Aber erst im letzten Jahrhundert entwickelte sich die Transplantationsmedizin dann mit Riesen- Schritten.

Erste Versuche mit Tieren

1900 entdeckte Karl Landsteiner in Wien das erste menschliche Blutgruppensystem – es ermöglichte Bluttransfusionen. 1902 gelang, ebenfalls in Wien, die erste Transplantation einer Niere an einem Hund. Beim Menschen bereitete den Medizinern bei der Verpflanzung von Organen die Abstossungsreaktion grosse Probleme: In den meisten Fällen akzeptierte der Körper das neu eingepflanzte Organ nicht. Doch hieraus schloss die Medizin keineswegs, dass solche Unterfangen für den Menschen
nicht geeignet seien. Schliesslich lautet das Credo der modernen Wissenschaft: Es gibt einfach nichts, was man nicht durch Forschen und Experimentieren in den Griff bekommen könnte.

Ein Teil des Rätsels wurde 1954 gelöst. Die erste Nierentransplantation bei eineiigen Zwillingen verlief erfolgreich. Der Empfänger lebte fortan in völliger Gesundheit, heiratete bald nach der Operation und gründete eine Familie.

Problem Abstossungsreaktion

Den Medizinern wurde damit klar, dass bei nicht-identischen Gewebemerkmalen eine Transplantation nur mit Unterdrückung der Abstossungsreaktionen möglich sein kann. In Paris gelang es dann 1959 erstmals, eine Niere zwischen zweieiigen, also genetisch unterschiedlichen Zwillingen zu verpflanzen. Die nachfolgende Abstossung begrenzte man mit Hilfe von Bestrahlung. Andere Chirurgen versuchten zeitgleich Transplantationen von Leber und Lunge.

Das fremde Herz

Die Basis erfolgreicher Transplantationen war damit bekannt. Es galt, erst nach bestimmten Kriterien einen möglichst passenden Spender herauszusuchen und dann nach der Operation die Abstossungsreaktionen des Körpers mit Medikamenten zu unterdrücken. Mit diesem Wissen traute sich Dr. Christiaan Barnard 1967 das scheinbar Unmögliche zu: Er nahm am 3. Dezember in Kapstadt die weltweit erste Herztransplantation von Mensch zu Mensch vor. Der Empfänger überlebte – allerdings nur 18 Tage. Dennoch stellte die Operation von Barnard einen Meilenstein dar: Die Umsetzbarkeit der Idee war bewiesen.

Heute werden jedes Jahr allein in Deutschland über tausend Herzen verpflanzt, Nieren- und Lebertransplantationen sind ebenso Routine geworden. Vielen Menschen kann damit ein neues Leben geschenkt werden – sie feiern den Tag der Transplantation wie eine zweite Geburt. Dennoch bleibt immer noch die Gefahr, dass der Körper das Spenderorgan ablehnt. Während die Medizin versucht, auch diese letzte Hürde zu meistern und die genauen Abläufe der Abstossungsreaktionen zu entschlüsseln, richtet sie ihren Blick nach vorne.

Obwohl es eigentlich nur die logische Konsequenz der bisherigen Entwicklung ist, könnte das Vorhaben des amerikanischen Chirurgen Robert White einem schlechten Horrorstreifen entstammen – und lässt uns schaudern: White will Köpfe transplantieren. Ein erstes Experiment mit Rhesus-Affen ist ihm bereits gelungen. Allerdings kann dabei das durchtrennte Rückenmark nicht wieder zusammengeführt werden, der operierte Mensch wäre querschnittsgelähmt. Dennoch: sein Gehirn würde von einem fremden Herz mit Blut versorgt werden, er wäre dem Tod entronnen.

Mulmiges Gefühl

„Worin besteht denn der Unterschied, ob ich einem Menschen während einer Operation Leber, Niere und Herz implantiere“, fragt White, „oder ob ich ihm gleich einen neuen Körper gebe?“

Unbestritten haben die Errungenschaften der Transplantationsmedizin bis heute viele positive Auswirkungen gehabt. Dennoch, so sehr wir den technologischen Fortschritt auch begrüssen und wie aufgeklärt wir uns heute fühlen mögen, eines ändert sich wohl nie beim Menschen: das etwas mulmige Gefühl, dass man nicht genau weiss, was manche Entwicklungen wohl noch so für Ergebnisse hervorbringen mögen.

Dr. Christiaan Barnard
Dr. Christiaan Barnard (1922-2001)

 

Vater der Herzverpflanzung

Christiaan Barnard wurde am 8. November 1922 in Beaufort-West (Südafrika) geboren. Nach Abschluss seines Medizinstudiums ging er in die USA, wo er an der Universität von Minnesota seine chirurgische Fachausbildung erhielt. Er testete mit Eingriffen am Herzen verbundene Operationstechniken in vielen Tierversuchen und entwickelte sie weiter. 1958 kehrte er nach Kapstadt zurück. Bis zu seiner ersten Herztransplantation hatte er fast tausend Herzoperationen vorgenommen. Am 3. Dezember 1967 erhielt der Patient Louis Washkansky in einer fünfstündigen Operation das Herz von Deenise Darvall, die wenige Stunden zuvor verstorben war. Barnard wurde durch die Transplantation zu einem der populärsten Mediziner seiner Zeit. 1983 musste er seine Operationstätigkeit als Folge einer schweren Arthritis aufgeben. Er kümmerte sich fortan mit der Christiaan-Barnard-Foundation um herzkranke Kinder in aller Welt. Barnard starb am 2. September 2001 auf Zypern.

Spenden erwünscht!

Das Problem der Transplantationsmedizin ist, dass nie wirklich ausreichend Spenderorgane zur Verfügung stehen. Patienten, die auf ein neues Organ angewiesen sind, kommen auf eine Warteliste. Dann müssen sie hoffen und bangen, bis der erlösende Anruf kommt. Es kommt vor, dass ein Patient stirbt, bevor ein passender Spender gefunden werden kann.

Gerüchte und Mythen

Immer mal wieder geistern Nachrichten über illegalen Organhandel oder die sogenannte Organmafia durch die Medien: Arme Bürger osteuropäischer Staaten würden gegen gutes Geld ihre Niere verkaufen – die dann für noch mehr Geld ihren Weg in den Westen fände. Amerikaner profitierten angeblich von den Massenhinrichtungen in China. Verurteilten würden die Organe entnommen und verkauft – ein geschickter Weg die Warteliste zu umgehen, die für alle gleich lang ist. Ob da etwas dran ist, lässt sich schwer sagen.

Organhandel strikt verboten

In Deutschland ist Organhandel strengstens verboten. Das musste auch ein 48-jähriger Mann aus Kassel erfahren. Er hatte in der Kategorie „Sammeln und Seltenes“ eines Internet-Auktionshaus eine seiner Nieren zum Verkauf angeboten. 66.000 Euro sollte das „Organ zur Blutreinigung“ kosten. Das Amtsgericht Kassel verurteilte ihn zu vier Monaten Gefängnis auf Bewährung und 2000 Euro Strafe wegen versuchten Verstosses gegen das Transplantationsgesetz.

Die Gerüchte und Geschichten tragen zur Verunsicherung über das Thema bei. Nach Verabschiedung des Transplantationsgesetzes im Jahr 1997 wurde die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) beauftragt, die Bürger über wichtige Fragen zum Thema Organspende zu informieren. Die Kampagne gibt dabei keine Entscheidung für oder gegen eine Organspende vor. Das Gesetz betont und schützt ausdrücklich die Freiwilligkeit.

Ausweis klärt Sachlage

Zentrales Element der Kampagne ist der Organspendeausweis, den man entweder bei sich trägt oder bei einer Vertrauensperson hinterlegt. Wenn er nicht vorliegt, müssten im Unglücksfall die Angehörigen entscheiden; der Betroffene hätte dann keine Möglichkeit mehr, sein Persönlichkeitsrecht wahrzunehmen. Mit dem Ausweis kann das Einverständnis zur Organspende generell erteilt oder aber auf bestimmte Organe eingeschränkt werden. Zusätzlich kann der Organspende auch ganz widersprochen werden. Die Anschaffung lohnt sich also in jedem Fall.

[@uelle lexi-tv]
Print Friendly, PDF & Email